Die Milchbars in Polen sind keine normalen Restaurants. Diese polnische Erfindung gibt es seit mehr als 100 Jahren. Und auch wenn ihre Popularität seit Ende des Sozialismus immer mehr abnimmt, ist und bleibt ihre historische Bedeutung. In der Milchbar spiegelt sich die Gegenwart und man lernt viel über Geschichte des Landes.
Wer in Warschau in der Mittagspause richtig satt werden und den Geldbeutel schonen will, kommt an den sogenannten „Milchbars (Bar Mleczny)“ eigentlich nicht vorbei. Abseits der nicht sehr nährreichen Produktpalette der internationalen Fastfood-Ketten, die sich zahlreich über das gesamte Stadtgebiet erstrecken, wird hier noch das klassische polnische Essen serviert.
Gulasch mit Klößen, Spätzel und Piroggen – das macht satt und kostet nicht die Welt. Für den kleinen Hunger bekommt man dort auch noch häufig die Milchsuppe, der die Milchbars ihren Namen verdanken.
Die Milchbars sind eine polnische Erfindung
Die auf in Polen genannte Bar mleczny ist eine ur-polnische Erfindung. Bereits im Jahr 1896 eröffnete Stanisław Dłużewski unter dem Namen Mleczarnia Nadświdrzańska die erste Milchbar in Polen. Sie befand sich in zentraler Lage in Warschau. Anfangs wurden nur vegetarische Gerichte auf der Basis von Milch, Eiern und Mehl angeboten. Dies führte auch zu dem Namen dieser Restaurants.
Angetrieben durch Lebensmittelknappheit im Land, verbreiteten sich diese billigen Esslokale schnell in ganz Polen. Die Milchbars ermöglichten somit vielen bedürfigen Bürgern eine Mahlzeit zu für sie erschwinglichen Preisen. Durch eine sehr knapp gehaltene Speisekarte und eine schlichte Inneneinrichtung war es den Betreibern möglich günstig zu kochen und dennoch wirtschaftlich zu arbeiten.
Während den kommunistischen Jahren Polens (1944 – 1989) waren die Milchbars gefragter denn je. Für viele Menschen gab es nur hier Essen, das sie sich leisten konnten und gleichzeitig in der Nähe ihrer Arbeitsstätte zu bekommen war. Durch stattliche Subventionen wurde der Preis für das Essen sogar zeitweise niedrig gehalten.
Polen heute: Was von den Milchbars übrigblieb
Diese Tage scheinen aber seit dem Umbruch weit her und so wirkt beispielsweise die Milchbar Rusalka im Warschauer Stadtteil Praga ihrer Zeit entschlafen. Um und über sie herum wurden in der Zwischenzeit neue moderne Hochhäuser gebaut. Auch der edle Benz vor dem Laden passt nicht mehr ganz zur Bescheidenheit des Restaurants.
Trotzdem kommen die Warschauer gerne noch zur Mittagszeit hier vorbei. Es heißt, es sei die leckerste Milchbar in ganz Warschau.
Viel Konkurrenz gibt es hier in Warschau, wie auch im Rest von Polen leider aber auch nicht mehr. Seit dem Umbruch des Landes genießen auch die Polen eine kulinarische Vielfalt, die sie vorher nicht kannten. Die Milchbar hat sich vom Ort für jeder Mann zu sprichwörtlichen „Armenküche“ gewandelt.
Von den fast 40.000 Milchbars, die noch in den 80er-Jahren in Polen existierten, findet man heute nur noch ungefähr 140 Stück. Einige konnten vor allem wirtschaftlich überleben, da sie Fleischgerichte anboten und die Preise erhöhten. Der heutige polnische Staat subventiert aber immer noch die vegetarische Küche in den Läden.
Polnischer essen als hier kann man wohl nicht
Jedem Reisenden sei empfohlen, sollte er sie denn finden, in einer Milchbar einzukehren. Dabei geht es um das besondere Ambiente, dass diese Orten vielleicht nicht optisch aber in ihrer Bedeutung für Polen widerspiegeln.
Zu den wichtigsten Gerichten gehören übrigens heute wie damals die polnischen Klassiker. In der Milchbar findet man z.B. den sättigenden Schmoreintopf aus Sauerkraut und Kohl (Bigos), die gefüllten Teigtaschen (Pierogi) oder auch eine Suppe aus vergorener Roter Bete (Barszcz).
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