Der Armenier Levon sollte für seine Frau unter dem gemeinsamen Haus einen Kartoffelkeller anlegen. Stattdessen grub er für 23 Jahre unermüdlich weiter und schaffte ein beeindruckendes Höhlensystem, das seinesgleichen sucht.
In dem kleinen Dorf Arinj in der armenischen Provinz Kotajk, nur 20 Autominuten aus der Hauptstadt Jerewan entfernt, findet man eine kleine Sensation: Levon’s Divine Underground. Unter einem unscheinbaren Haus in diesem kleinen Dorf, schuf ein Mann mit eigener Kraft und simpelsten Werkzeugen ein beeindruckendes Höhlensystem mit mehreren Gängen und Kammern. Ursprünglich wollte seine Ehefrau nur einen Ort haben, in dem sie die Kartoffeln dunkel und kühl lagern konnte. Was als kleines Heimwerkerprojekt begann, wurde schnell zur Passion von Levon Arakelyan. Bis zum seinen Tod arbeitete er weiter an einer gigantischen Privathöhle – insgesamt 23 Jahre lang.
Wie entstand Levons Höhle?
Levon Arakelyan lebte mit seiner Frau Tosya Gharibyan in einem kleinen Steinhaus in Arinj. Zeit seiner Lebens verdiente er sein Geld als Handwerker, nutzte seine Freizeit aber auch um Kunst zu schaffen. Im Jahr 1985 hatte seine Frau einen kleinen Wunsch: Es wäre toll, einen eigenen kleinen Keller unter dem Haus zu haben, in dem man die Kartoffeln aufbewahren könnte. Levon überlegte nicht lange und fing mit diesem Projekt an.
Aus dem frommen und überschaubaren Projekt für seine Frau, wurde schnell eine Freizeitbeschäftigung, die ungeplante Ausmaße annahm. Statt sich mit dem ersten Keller zufrieden zu geben, buddelte Levon immer weiter ins Erdreich. Dabei war dies gar nicht zu einfach, bestand doch der Untergrund aus massiven Gestein. Große Baugeräte nahm der Höhlenbauer dennoch nicht zur Hilfe. Mit einfachsten Werkzeugen wie Bohrer, Hammer und Meisel entstand über die Jahre ein immer tieferes Höhlenlabyrinth.
Wenn Levon Arakelyan gefragt wurde, wieso er immer weiterarbeitete, antworte er, dass ihn Visionen und mystische Stimmen immer wieder antrieben die Arbeit fortzusetzen. Er sollte einen wahren Tempel bauen. Zu Spitzenzeiten arbeitete er bis zu 18 Stunden täglich an seinem Werk. Insgesamt war er mehr als 23 Jahre beschäftigt, bevor er verstarb. Seine Arbeit hatte er mit 44 Jahren gestartet.
Die Höhle ist das heimliche Wahrzeichen von Arinj
Heute besteht der Höhlenkomplex aus sieben miteinander verbundenen Etagen unter Levons Haus. Es gibt viele verschiedene Räume, teils kunstvoll mit geritzten Säulen und kirchenähnlichen Dekorationen verziert. Damit man im Erdinneren auch genug sehen kann, installierte Levon mehrere Lampen. Sonnenlicht kommt hier unten nirgendwo mehr an. Als Einstieg dient eine in den Stein gemeiselte Treppe – unweit der eigentlich Hauseingangstür.
Den Erzählungen zufolge starb Levon kurz nachdem er exakt die Höhle fertiggestellt hatte, die er sich erdacht hatte. Schon zu Lebzeiten war er jemand, den jeder im kleinen Dorf Arinj kannte und schätzte. Sein Durchhaltevermögen und seine präzise Arbeit wurde von allen bewundert, egal was man auch von seiner Motivation und angeblichen Visionen hielt.
Öffentlichtes Museum zur Erinnerung an den Höhlenbauer Levon
Seine Frau Tosya hält auch nach dem Tod ihres Mannes den Mythos am Leben. Die skurille Höhle kann heute von Gästen besucht werden. Geöffnet hat sie eigentlich den ganzen Tag, schließlich wohnt die Familie noch heute dort. Es empfiehlt sich aber vorab Kontakt über die Facebook-Seite aufzunehmen, besonders wenn man Informationen auf Englisch haben möchte. Die Sprache spricht nämlich nur Levons Enkelin gut.
Alleine lässt Tosya keinen durch das Höhlenlabyrinth laufen. Es ist zu groß und sie hat Angst, man könnte sich verlaufen. Außerdem will sie das Werk vor möglichen Beschädigungen schützen. Dafür wird jeder Besucher auch mit einer warmen Decke ausgestattet. Schließlich sind die Temperaturen in diesem riesigen „Privatkeller“ nicht besonders hoch. Der Eintritt läuft auf einer kleinen Spendenbasis, welche ein Zubrot für die Familie sichert. Viel Geld durch richtige Arbeit konnte Levon Zeit seines Lebens aufgrund dieser großen Verpflichtung nämlich nicht ansparen.
Im Wohnhaus ist ein kleines Museum eingerichtet worden. Es zeigt Original-Werkzeuge, die beim Bau verwendet wurden und viele Fotos sind Zeugen vom Schaffen und Leben von Levon Arakelyan. Im blühend-bewachsenen Garten gibt es auch ein kunstvolles Mosaik des Künstlers. Daneben sieht man eines seiner Frau. Sie hält – wie könnte es anders sein – Kartoffeln in ihren Händen.
Die Höhle von Arinj: Eine spannende Sehenswürdigkeit
Die Höhle von Arinj ist eine Sehenswürdigkeit, abseits der ausgetretenen Pfade. Es lohnt sich für einen Abstecher herzukommen, den Geschichten von Tosya oder ihrer Tochter zu lauschen und sich klar zu werden, dass nur ein Mann diese Höhle geschaffen hat. Er mag vielleicht allein gewesen sein, aber es gab da wohl irgendwas mächtiges, was ihn angetrieben hat.
Übrigens: Für dieses Do-It-Yourself-Projekt scheint die Statik erstaunlich gut beachtet worden zu sein. Bis heute sind kaum Schäden am über der Höhle liegenden Wohnhaus zu verzeichnen. Auch im Untergrund selber ist bislang noch nichts eingestürzt.
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