Am Neujahrsmorgen steigt am See Bosumtwi in Ghana eine große Party. Die jungen Menschen kommen haufenweise aus der Stadt Kumasi. Im Gepäck: Bier, Picknickdecken … und Schwimmringe!
Die meiste Zeit im Jahr herrscht am See Bosumtwi im Herzen Ghanas nicht viel Betrieb. Der einzige wirkliche Binnensee liegt ruhig in der Naturpracht im Herzen des westafrikanischen Landes. In der direkten Nachbarschaft gibt es nur ein paar kleine Dörfer. Viele Bewohner bestreiten ihren Lebensunterhalt mit dem Fischfang. Zwei Fischarten leben sogar ausschließlich in diesem See.
Unweit des Sees Bosumtwi liegt Kumasi. Die Stadt ist mit fast 3 Millionen Einwohnern die größte Stadt in Ghana. Neben dem wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum des afrikanischen Staats, gilt sie auch als Regierungssitz des Königs der Ashanti, jenem Volk, das zu den größten Ethnien in Ghana und ganz Westafrika zählt.
Für die Ashanti ist Bosumtwi heilig
Der See Bosumtwi entstand vor 1,07 Millionen Jahre durch einen Meteoriteneinschlag. Lässt man alle künstlich geschaffenen Seen außer Acht, ist der einzige Binnensee in ganz Ghana. An der tiefsten Stelle ist er 80m tief. Sein Durchmesser beträgt 8km².
Für die traditionellen Ashanti ist der See Bosumtwi ein Heiligtum. Man glaubt, dass die Seelen der Verstorbenen hierhin kommen, um von der Gottheit Asase Ya in die Ewigkeit geleitet zu werden. Aus diesem Grund soll man den See auch nicht mit Booten, sondern ausschließlich hölzernen Flößen befahren. Das gilt auch für die Fischer!
Naherholung und Partyziel der jungen Leute
Besonders für die jungen Leute aus Großstadt Kumasi ist es aber nicht die Heiligkeit, warum sie besonders an den Wochenenden diesen Ort aufsuchen. Viel mehr steht bei ihnen Relaxen und Feiern im Vordergrund. So ist es zum Beispiel auch am Neujahrsmorgen.
Halb Kumasi scheint sich auf die Beine gemacht zu haben. Am Neujahrstag wird in Ghana traditionell frei gemacht. Die wenigen Kilometer über „Dirt Roads“ geht es mit dem Fahrrad, hoffnungslos überladenen Autos oder dem Tro-Tro (ghanaisches Sammeltaxi). Motorisiert benötigt man gut 45 Minuten – oder mehr – für den Weg. Alles eine Frage des Fahrtalents und der Belastbarkeit der Fahrzeugachse, die auf den unausgebauten schmallen Straße ganz schon in Anspruch genommen wird.
Wie bunte Papageien, aber dennoch mittendrin!
Durch einen Zufall haben wir die Silvesternacht in Kumasi verbracht. Dort gab es für uns ein bißchen Feuerwerk zu sehen. Ansonsten haben wir den Abend aber ganz gemütlich in dem wohl europäischsten Steakhaus in ganz Afrika verbracht und mit dem Nachtwächter unserer Unterkunft (und seinem Hund) um 0 Uhr angestoßen. Daher will unser Guide uns am nächsten Tag mal zeigen, wo und wie das junge Ghana so feiert.
Schon bevor wir das Wasser sehen können, hören wir die hämmernden Bässe. Ghanaisches Musik ist ein Mischung aus Reggea und Dancehall. Hauptsache hipp und tanzbar. Zumindest die Musik, die das junge Ghana hört und mitträllert. Obwohl es noch nicht mal Mittag ist, wird am See Bosumtwi getanzt und auf der Picknickdecke entspannt.
Die Lebensfrohen gucken nicht schlecht, als wir am See auftauchen. Wir fallen einfach innerhalb von Minuten auf wie bunte Papageien. Es befinden sich einfach absolut keine Europäer am See. Da ist es wahrlich nicht schwer aus der Masse herauszustechen.
Die Party sprengt das natürlich nicht. Aber das Interesse der Anwesenden ist direkt geweckt: „Where are you from?“, „Do you like Ghana?“ oder „Cool that you are here“. Der Ghanaer ist wahrlich nicht abweisend und vor allem selten schüchtern.
Eiskaltes Bier und Campingtisch
Wie können nicht ganz verstehen, was unser Guide einem Mann an einem der vielen Bretterbuden erzählt, aus der wegen fehlender Kühlung lauwarmes Bier und Softdrinks in Sekundentakt verkauft werden. Aber nach wenigen Minuten wird ein Gartentisch samt Stühlen organisiert, an dem wir natürlich gerne Platz nehmen und das Partytreiben rund um uns aufmerksam beobachten.
Junge Männer, die versuchen mit ihrer „Tanzkunst“ bei den knapp begleideten Mädchen Eindruck zu schinden, sind ebenso vertreten wie Familien mit jungen Kindern oder Übermütige, die bereits das ein oder andere Bier zu viel hatten. Überall wie getanzt und gelacht. Die Stimmung ist großartig!
Nach einiger Zeit bekommen wir zwei Bier gebracht. Zu unserem Erstaunen sind die Flaschen eiskalt! Keine Ahnung wo unser Gastgeber die herbekommen hat. Aber es hatte bestimmt seinen Grund, dass es beinah 30 Minuten gedauert hat. Egal!! Wir freuen uns drüber. Wenngleich es uns auch im nächsten Moment etwas unangenehm wird, dass wir wahrscheinlich die einzigen hier sind, die dieser Luxus zu teil wird.
Sicherheit beim Badespaß am See Bosumtwi
Wie es sich für einen Besuch am See gehört, fröhnt man hier natürlich auch dem kühlen Naß. Was uns aber direkt auffällt: Weiter bis zur Hüfte traut sich eigentlich keiner ins Wasser. Noch viel krasser: Gestandene Männer tragen Schwimmringe um die Hüfte. Frauen in sexy Bikini haben mitunter eine Art „Schwimmflügel“ am Arm. Die Jungs die hier „todesmutig“ bis zum Bauch in den See hineinlaufen, werden von den Frauen gar bewundert.
Unser Guide klärt uns auf: Die wenigsten Menschen in Ghana können vernünftig schwimmen. Viele sogar überhaupt nicht. Es gibt keinen Schwimmunterricht an den Schulen. In ganz Ghana gibt es auch kein einziges Schwimmbad. Wer schwimmen will, muss es direkt im Meer lernen. Dem der im Landesinneren wohnt, bleibt diese Möglichkeit aber weitgehend versagt.
Das erklärt natürlich einiges. Trotzdem ist der Anblick ehrfürchtiger junger Menschen vor einem stillen Gewässer schon ungewöhnlich für uns verwöhnte Europäer, bei denen Schwimmen fast schon zum guten Ton statt praktischer (optionaler) Fähigkeit gehört.
Für Touristen wird übrigens davon abgeraten in Süßwasser-Gewässer in Ghana zu baden. „Die Bilharziose könnte beim Baden durch das Eindringen von Wurmlarven durch die intakte Haut übertragen werden“, heißt es beim Auswärtigen Amt. Da sollte man besser nicht das Risiko eingehen – schade um den Badespaß!
Feiern am Bosumtwi: Echter wird’s nicht!
Wir haben auf jeden Fall unseren Spaß hier. Ghana ist zwar nirgendwo touristisch verfälscht und wirkt immer absolut authentisch. Aber die Möglichkeit Teil dieser Party zu sein, ist einfach nochmal das „echte“ Erlebnis wofür sich der Trip hier hin gelohnt hat.
Auch abseits der Party ist es einfach idylisch hier. Eine Nacht verbringen wir daher in einem kleinen Bungalow mit paradisischen Blumen etwas abseits des Geschehens.
Wir verlassen die Party am See Bosumtwi und tanzen zurück zum Auto. Aus dem Gemenge grinst mich ein Mann an. Er sagt nichts, aber zeigt deutlich mit dem Daumen nach oben. Als wolle er sagen: „Schön, dass ihr da wart.“
Vielen Dank, dass wir dabei sein durfen!
Empfohlener Ghana-Reiseführer
- Briggs, Philip (Autor)
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