Die Sklaverei zählt zu den schlimmsten Verbrechen der Menschheit. Bei einer Reise nach Ghana sollte man dieses dunkle Kapitel nicht vergessen. Um das Geschehene zu begreifen bietet sich der Weg vom letzten Bad bis Elmina Castle an.
Wer eine Reise nach Ghana unternimmt, kommt in erster Linie für die Tierwelt, die Strände und das westafrikanische Flair. Im 16. Jahrhundert war die Goldküste aber der Schauplatz eines abscheuchlichen Verbrechens. Millionen von Menschen wurden von den Europäern, besonders den Portugiesen, von hier über den Atlantik in die neue Welt verschifft. Sie sollten in Amerika als Haus- und Arbeitssklaven eingesetzt werden.
Das letzte Bad war eine der letzten Stationen in der Heimat
Das erste Ziel unserer Spurensuche ist das kleine Dorf Assin Manso. Es liegt in der Zentralregion des heutigen Ghanas und weniger als 100km von der Atlantikküste entfernt. Hier hin kamen die Karawanen an gefangenen Menschen im 16. Jahrhundert. Menschenfänger hatten sie weiter im Inneren des Landes gefangen genommen. Zu dieser Zeit gab es noch keine Züge oder gar Autos. Die Menschen mussten hunderte von Kilometern durch die Steppen und Urwälder von Afrika laufen. Es war ein Marsch ohne Wiederkehr!
Bereits auf dem Weg hierhin verstarben viele der Sklaven. Sie verhungerten, erkrankten und waren der vollständigen Grausamkeit der Sklavenhändler ausgesetzt. Wer es bis nach Assin Manso schaffte, den erwartete hier sein letztes Bad. Die Sklaven wurden im Fluss Donkor Nsuo das letzte Mal gewaschen und auf ihre körperliche Unversehrtheit überprüft. Anschließend wurden sie an den Höchstbietenden verkauft und es für sie angekettet weiter zu den Stränden der Goldküsten und der Überfahrt in die „Neue Welt“.
Heute befindet sich an dieser wichtigen Stelle des ehemaligen Sklavenhandels eine Gedenkstätte. Bereits vor dem Betreten fassen Bilder an der Mauer das unfassbare Leid und die unvorstellbare Brutalität zusammen. Auf dem Weg zum Fluss, den man den „Sklavenfluss“ genannt hat, läuft es uns bei den Erzählungen unseres Guides bereits eiskalt den Rücken runter.
Nach wenigen Minuten Fußweg liegt er vor uns: Der Donkor Nsuo. Heute kann man nur noch erahnen wie viele Menschen hier einst das letzte Mal in afrikanischen Wasser baden mussten.
Würden wir nicht über die Geschichte dieses Ortes bescheid wissen, würde es hier gar idyllisch sein. Viele Bäume säumen das Flussbeet. Wenige Meter neben uns waschen Frauen ihre Kleidung und Kinder spielen im Wasser. Die Szenerie wirkt beinahe skurill!
Die Sklaverei in Ghana war lange ein Tabuthema
Überhaupt ist die Geschichte des Sklavenhandels etwas, über das man in Ghana nicht gerne sprechen wollte. Und Ausländer darüber zu berichten, wurde auch nur ungern getan.
Wir erfahren, dass unser Guide quasi kein Gehalt für seine Arbeit bekommt. Auch die Gedenkstätte als solches wird größtenteils von Spenden und einer privaten Institution betrieben. Der Staat Ghana scheint sich nicht großartig um die Erhaltung solcher Orte kümmern zu wollen. Dabei sind es diese Mahnmäler, die immer wieder vor der Vergangenheit warnen müssen, um so etwas in Zukunft nicht wieder geschehen zu lassen.
Mittlerweile findet ein Wechsel beim Umgang mit der blutigen Vergangenheit der Sklaverei statt. Ab Frühjahr 2023 ist der Besuch des „Letzten Bads“ in Ghana z.B. erstmalig kostenpflichtig. Das hiermit erwirtschaftete Geld soll künftig der Mahnmalerhaltung zu Gute kommen.
Unser Guide lässt sich davon aber nicht abbringen und scheint gerne und mit viel Wissen von dieser Zeit erzählen zu können. Wird sind die einzigen beiden Besucher zu diesem Zeitpunkt, so dass er sich jede Menge Zeit für unsere Fragen nehmen kann. Uns fällt es jedoch schwierig, wenn er von den Millionen Opfern, Familien und tragischen Schicksalen erzählt. vernünftige Fragen zu stellen.
Zum Abschied wird uns noch ein Ausschnitt aus dem Film „Addio, Onkel Tom!“ gezeigt . Der italienische Film aus dem Jahre 1971 ist wie eine Dokumentation aufgezogen und zeigt die erbärmlichen Bedingungen, unter dennen die schwarzen Sklaven nach Amerika kamen. Die Szenen sind so realistisch gedreht, dass man das Gesehene nur schwer ertragen kann.
Auf dem Parkplatz betteln uns zwei Kinder an. Sie sind so offensiv und fordernd, wie wir es nirgendwo während unserer Zeit in Ghana erlebt haben. Vielleicht nutzen sie das Wissen, dass jeder Weiße sich beim Verlassen des Mahnmals gegenüber Afrika schuldig fühlt? Das ist natürlich Quatsch, denn wir selber haben doch nichts mit der Sklaverei zu tun gehabt. Wir geben ihnen natürlich nichts und müssen auch weiter. Unser nächster Stop ist Cape Coast an der Atlantikküste.
Elmina Castle: Symbol des Sklavenhandels in Afrika
Das Fort wurde 1482 von den Portugiesen erbaut. Ursprünglich hieß es auch São Jorge da Mina und später dann St. George’s Castle. Der Name Elmina Castle bezieht sich auf den angrenzenden Fischerort Elmina und hat sich heute durchgesetzt.
Zunächst wurden hier Waren wie Elfenbein, Gold, Pfeffer und Zucker des ausgebeuteten Afrikas in die neue und alte Welt verschifft. Dies versprach großen Reichtum, weshalb dieser Abschnitt am Atlantik auch zu seinem Namen kam: Goldküste. Immer mehr rückten aber auch Menschen als Sklaven in die wirtschaftlichen Interessen des Stützpunkts. Davon ließen auch die Niederländer nicht ab, die die Festung im 16. Jahrhundert eroberten. Mitte des 17. Jahrhunderts verkauften die Niederländer das Fort schließlich an die Briten, die den portugiesischen Namen einfach ins Englisch übersetzten.
Seit 1979 bereits gehört dieser Ort zum UNESCO Weltkulturerbe und ist eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten Ghanas. Sogar der ehemalige US-Präsident Barack Obama besuchte diesen Ort im Jahre 2009. Ahnenforscher vermuteten, dass die Vorfahren seiner Frau Michelle von diesem Ort in die neue Welt verschifft worden sein müssen. Und in der Tat landetete viele der verschleppten Sklaven von diesem Ort auf Haiti oder auch Jamaika.
Folgen der Sklaverei: Viele sind hier auf der Suche nach ihren Wurzeln
Wir merken schnell, dass dieser Ort bei Touristen äußerst beliebt ist. Mit großer Mehrheit stoßen wir auf Afro-Amerikaner, die die Reise nach Ghana auch für ein äußerst persönliches Anliegen suchen und sich erhoffen, hier mehr über ihre Vorfahren und damit die eigenen Wurzeln herauszufinden.
Noch geschockt von den Erzählungen beim „letzten Bad“, geht die Reise in die Tiefen der verlorenen Menschlichkeit hier nahtlos weiter. Man zeigt uns Zellen, die auch heute noch erahnen lassen, wie erbärmlich die Sklaven zusammengepfercht ihre letzten Tage und Wochen in Afrika verbracht haben müssen. Man behandelte sie nicht besser als die Waren, die vorher hier verschifft wurden.
Besonders aber eine Tat der Briten Ende des 18. Jahrhunderts nahm den Menschen ihre Hoffnung. Sie inhaftierten den damaligen König der Aschanti, Kwaku Dua II Asamu am 1.7 Januar 1896. Zunächst hielten sie ihn in einer Zelle auf dem Obergeschoß von St. George’s Castle gefangen. Schlußendlich schickten sie ihn in die Verbannung auf Seychellen. Damit schwächteten sie das große Volk der Ashantis nach der britischen Erobertung des Ashantireiches extrem.
Die letzte Station in Afrika: Eine Tür ohne Wiederkehr
Unser Guide beendet die Tour in den Verließen der Festung. Wie Waren wurden die Menschen hier über Rutschen hingebracht und in die vor Anker liegenden Schiffen verladen. Niemand von ihnen wußte von hin es sie bringen würde. Das diese Rutsche sie in die Sklaverei führen würde. Gewiss war nur, dass sie von dort nie wieder kommen würden.
Eine kleine Lucke, die damals in den Frachtraum des Schiffes geführt haben muss ist noch heute vorhanden. Auf dem Weg dorthin kommen wir an unzähligen Kränzen vorbei, die für die vielen Menschen die ihre Heimat, ihre Identität oder gar ihr Leben verloren, niedergelegt wurden.
Hier unten ist es kalt und miefig. Am Ende des Gewölbes sieht man das Tageslicht durch eine kleine Tür scheinen. Draußen liegt der Strand vor uns, Fischer machen ihre Boote bereit. Dieser Ausblick wird für jeden, der es lebendig bis hierhin geschafft hat, wohl der letzte in Afrika gewesen sein. Durch die „Tür ohne Wiederkehr“ ging es nun raus aufs Meer und zur harten Arbeit und Leben in der „Neuen Welt“.
Bis heute weiß niemand genau wieviele Menschen dem Sklavenhandel in Schwarzafrika zum Opfer fielen. Sicher ist nur, dass die Goldküste zu den prozentual größten Exportorten in Schwarzafrika gezählt haben muss. Neben Elmina Castle kann man in der Umgebung sich auch noch Cape Coast Castle, einen weiteren Sklavenumschlagsplatz, anschauen.
Insgesamt fielen dem Atlantischen Sklavenhandel wohl mehr als 12 Millionen Menschen zum Opfer. Erst anfang des 19. Jahrhunderts wurde er von den Europäern nicht mehr praktiziert.
Die Geschichte der Sklaverei kann in Ghana greifbar werden. Vielleicht so greifbar, dass man es nur schwer ertragen kann. Die Brutalität und keinerlei Wertachtung vor dem Leben, wird man auch danach nicht begreifen können. Es ist definitiv keine leichte Urlaubskost, aber sollte auf einer Ghana-Reise auf keinen Fall fehlen.
Empfohlener Ghana-Reiseführer
- Briggs, Philip (Autor)
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